Embodiment in der Therapie: Wenn der Körper spricht

Zuletzt aktualisiert am 16. März 2025

min

Anmerkung vor dem Lesen

Diese Erzählungen geben Einblick in echte Sitzungen. Zum Schutz der Privatsphäre wurden Details verändert oder Geschichten zusammengeführt.

Sie zeigen mögliche Entwicklungen in der Therapie – keine allgemeingültigen Lösungen. Jede Erfahrung ist einzigartig.

Die Inhalte dienen der Veranschaulichung und ersetzen keine persönliche Beratung.

Wenn Sie sich in einer dieser Geschichten wiederfinden und Unterstützung suchen, kontaktieren Sie mich gerne.

Manchmal signalisiert der Körper etwas, das sich nicht sofort in Worte fassen lässt. Eine diffuse Anspannung, ein Druckgefühl oder ein nicht greifbares Unbehagen – Hinweise, die oft unbeachtet bleiben. Doch in ihnen liegt eine stille Sprache, die verstanden werden will. Diese Fallstudie zeigt, wie Embodiment in der Therapie helfen kann, Empfindungen als Brücke zu tieferem emotionalem Verständnis zu nutzen.

Eine merkwürdige Empfindung

Frau C., eine Klientin, schilderte eine anhaltende innere Unruhe, begleitet von einem Engegefühl im oberen Brustbereich. Dieses Gefühl begleitete sie bereits seit Wochen und machte es ihr zunehmend schwer, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Selbst alltägliche Entscheidungen fielen ihr schwer, da die innere Anspannung stets präsent war. Sie bemerkte, dass sie sich häufiger zurückzog und sich weniger belastbar fühlte, was sie zusätzlich verunsicherte. Sie beschrieb diese Empfindung selbst als „belastend“ und bemerkte, dass es besonders intensiv wurde, wenn sie versuchte, es zu ignorieren.

Ich lud sie ein, dieser Empfindung mit Neugier nachzugehen – sie nicht als Hindernis zu sehen, sondern als mögliche Botschaft. Eine Botschaft, die dem bewussten Verstand vielleicht noch nicht so ganz klar ist. Während sie diese Empfindungen erkundete, bemerkte sie, dass sich das Gefühl zu verlagern begann. Die Enge wurde durchlässiger, beweglicher. Ich bat sie, sanft auf die Stelle zu drücken, wo sie die Enge empfand. Die Empfindung hatte sich mittlerweile zum seitlichen Hals weiterbewegt. Ich fragte sie, ob dabei Bilder oder Assoziationen auftauchten. Sie erwähnte die Zahl "drei" – ein Detail, das zunächst ohne Bedeutung blieb, aber später an Klarheit gewinnen sollte.

Im Verlauf der Sitzung erinnerte sich Frau C. an eine belastende berufliche Phase, in der sie sich chronisch überfordert gefühlt hatte. Damals war das Engegefühl zum ersten Mal aufgetreten. Jahrelang hatte sie sich selbst dafur kritisiert, zu lange in dieser Situation geblieben zu sein. Einige Jahre nach Beginn dieser Phase erhielt sie eine medizinische Diagnose, die bestätigte, dass sich ihre gesundheitlichen Beschwerden tatsächlich über mehrere Jahre entwickelt hatten – exakt zu der Zeit, in der sie sich beruflich stark überfordert gefühlt hatte.

Während sie dies aussprach, veränderte sich ihre Körperhaltung, und eine Welle von Emotionen stieg in ihr auf. Mit den Emotionen wich die Enge in der Brust. Frau C. teilte eine Erkenntnis mit mir, die ihr Körper anscheinend ihr zu kommunizieren versuchte. Die aktuellen Beschwerden waren ein Hinweis auf die notwendige Klärung ihrer derzeitigen Situation.

Wie der Körper Erinnerungen speichert

Frau C. sprach von einer Zeit, in der sie sich gefangen gefühlt hatte – einem beruflichen Umfeld, das ihr nicht guttat, in dem sie sich jedoch gebunden sah. Sie erinnerte sich an ein Gespräch mit einem Mediziner, der ihr vorwurf, dass die ihre physischen Symptome doch habe merken müssen. Die Symptome hätten sich doch seit über drei Jahre entwickelt. Dies geschah also zeitlich parallel zu ihrem Eintritt in die belastende Arbeitsumgebung.

„Mein Körper hat mich nicht im Stich gelassen. Ich glaube eher, dass er mich erinnern wollte.“

Dieser Moment markierte eine Veränderung. Die innere Spannung wich einer Ruhe, die aus dem Verständnis heraus entstand, dass sie fortan besser auf sich achten muss. Frau C. befand sich nämlich erneut in einer intensiven beruflichen Phase, in der sie ihre eigenen Bedürfnisse hinten anstellte. Ihr Körper schien sie daran zu erinnern, innezuhalten – um sich nicht erneut in eine Phase der Erschöpfung zu bringen.

Körperempfindungen tragen oft Spuren vergangener Erlebnisse sowie ungelebter Bedürfnisse in sich. Sie treten besonders dann hervor, wenn sich innere Muster aus der Vergangenheit in einer aktuellen Situation wiederfinden oder wir nicht in unserem besten Interesse handeln. Embodiment-Ansätze können helfen, die intuitive Kompassfunktion der Körperempfindungen zu verstehen und einen neuen Umgang mit inneren und äußeren Bedürfnissen zu entwickeln.

Embodiment in der Therapie: Die Sprache des Körpers verstehen

Embodiment beschreibt die enge Wechselwirkung zwischen Körperempfinden und emotionalen Prozessen1,2. Der Körper speichert Erfahrungen nicht nur als Erinnerungen, sondern auch als Empfindungen, als Körperhaltung, als ganzheitliches Erleben. Durch das bewusste Aufgreifen dieser inneren Prozesse können sich tiefgehende Veränderungen entfalten. Unverarbeitete Bedürfnisse können erkannt, ein neuer Umgang mit belastenden Gefühlen gefunden und Grenzen bewusster gesetzt werden.

Es geht darum, die körperlicher Empfindungen bewusst wahrzunehmen und neugierig zu sein, was der eigene Körper ganz von alleine an Informationen bereitstellt. Im Fall von Frau C. wurde aus dem bewussten Wahrnehmen der Empfindung in ihrer Brust ein Weg zur emotionalen Verarbeitung und einem tiefergehenden Verständnis ihrer Situation.

Ein integrativer Ansatz für emotionale Klarheit

Jeder Körper trägt seine eigene Geschichte. Oft senden uns körperliche Empfindungen Signale, lange bevor wir bewusst erkennen, dass etwas nicht in Balance ist. Vielleicht gibt es auch in Ihrem Leben Situationen, in denen Sie wiederkehrende Körpersignale spüren. Der Körper spricht – es lohnt sich, ihm zuzuhören.

Der Weg von Enge zu Weite, von Schwere zu Leichtigkeit zeigt, dass der Körper nicht nur Last trägt, sondern auch Lösungen bereithält. In der therapeutischen Arbeit mit Embodiment geht es darum, diesen Prozessen mit Aufmerksamkeit zu begegnen und sie in den eigenen Entwicklungsweg zu integrieren. Falls Sie sich in diesen Zeilen wiederfinden, kann Ihnen ein behutsamer Blick auf Ihre Körperempfindungen neue Perspektiven eröffnen. Gerne begleite ich Sie auf diesem Weg. Buchen Sie hier ein unverbindliches Erstgespräch.

Referenzen

1. Körner, A., Topolinski, S., & Strack, F. (2015). Routes to embodiment. Frontiers in Psychology, 6, 940. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2015.00940

2. Fava, G. A., Cosci, F., & Sonino, N. (2017). Current psychosomatic practice. Psychotherapy and Psychosomatics, 86(1), 13-30. https://doi.org/10.1159/000448856

Hokusai, K. (1831). The Great Wave off Kanagawa [Painting]. Abgerufen von https://de.wikipedia.org/wiki/Die_gro%C3%9Fe_Welle_vor_Kanagawa#/media/Datei:Katsushika_Hokusai_-_Thirty-Six_Views_of_Mount_Fuji-_The_Great_Wave_Off_the_Coast_of_Kanagawa_-_Google_Art_Project.jpg

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Über den Autor Benedikt Schmidt

Ich bin Benedikt Schmidt, klinischer Psychologe. Mein Ansatz verbindet wissenschaftlich fundierte Methoden mit individueller, einfühlsamer Begleitung. Ich unterstütze Sie dabei, Belastendes zu verarbeiten und einen neuen, stärkenden Umgang mit sich selbst und Ihrem Umfeld zu entwickeln.

Mein Fachwissen beruht auf praktischer Erfahrung, kontinuierlicher Weiterbildung und eigener Forschung. Ich habe zur Anhedonie am Allgemeinen Krankenhaus Wien geforscht, in der Positiven Psychologie unter der Leitung von Prof. Ilona Boniwell gearbeitet und bin derzeit als Psychologe an der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik am Universitätsklinikum Heidelberg tätig.

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